Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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US-Schicksalswahl stellt Fed in den Schatten

Erscheinungsdatum Website: 01.11.2024 18:05:07
Erscheinungsdatum Publikation: 04.11.2024

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die USA entscheiden in einer Schicksalswahl über ihre politische Zukunft. Der Wahlausgang, der die Zinsentscheidung der Federal Reserve in dieser Woche in den Schatten stellt, könnte allerdings so knapp sein, dass für einige Tage oder sogar einige Wochen kein Gewinner feststeht. Denkbar ist zudem, dass bei einer Niederlage von Ex-Präsident Donald Trump ein erbitterter Machtkampf im Kongress und im ganzen Land entbrennt, der das Land und seine Demokratie erschüttert. Trump hat mehrfach behauptet, dass er die Wahl nur verlieren kann, wenn die Demokraten betrügen - obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass 2020 ein nennenswerter Betrug stattgefunden hat oder 2024 im Gange ist.

US-Wahl ist Schicksalsfrage für deutsche Wirtschaft

Der Ausgang der Präsidentschafts- und Kongresswahl ist nicht nur eine Schicksalsfrage für den weiteren Weg der USA in der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch für die deutsche Wirtschaft. Trump hat einen Zoll von 60% auf Waren aus China und einen Zoll von 20% auf alle anderen Einfuhren der USA angedroht. Eine Umfrage des Ifo-Instituts unter 2.000 deutschen Industrieunternehmen zeigte, dass 44% der Unternehmen negative Auswirkungen für ihren Betrieb erwarten, sollte Donald Trump statt Kamala Harris ins Weiße Haus gewählt werden.

Dagegen erklärten 51%, es mache für sie keinen Unterschied, ob Trump oder Harris die Wahl gewinnt. Nur 5% erwarten positive Effekte durch eine Wahl von Trump. "Besonders Unternehmen mit engen Wirtschaftsverbindungen in die USA rechnen mit negativen Folgen bei einem Wahlsieg von Trump. Hier liegt der Anteil mit 48% über dem Durchschnitt", sagte Ifo-Forscher Andreas Baur. Allerdings befürchten auch viele Unternehmen ohne direkte Exportbeziehungen in die USA negative Auswirkungen, denn sie könnten etwa als Zulieferer trotzdem indirekt betroffen sein.

Deutscher Auftragseingang steigt im September

Die deutsche Industrie ist seit langer Zeit in einer Krise gefangen. "Bei schwacher Weltkonjunktur und verunsichernder Wirtschaftspolitik wird die Lage äußerst angespannt bleiben. Die Autoindustrie dürfte das verarbeitende Gewerbe in der Rezession halten", erklärte Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe. Für September rechnen die von Dow Jones Newswires befragten Ökonomen mit einem Anstieg der Auftragseingänge von 1,4% gegenüber dem Vormonat. Im August waren die Bestellungen um 5,8% eingebrochen. "Die Hoffnungen darauf, dass die Bestellungen die Talsohle durchschritten haben könnten, sind wieder gesunken", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Deutsche Produktion sinkt im September

Die industrielle Produktion in Deutschland dümpelt in einer ausgeprägten Flaute. Und aufgrund anhaltender struktureller Probleme wie hoher Kosten, lähmender Bürokratie und Fachkräftemangel sei ein schneller "Turnaround" nicht in Sicht, betonte der Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Jupp Zenzen. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen erwarten für September einen Rückgang der Produktion um 0,9% gegenüber dem Vormonat.

Im August war die Produktion überraschend um 2,9% gestiegen, was aber an einer vorübergehend starken Zunahme der Autoproduktion lag. Die Tendenz zeigt weiter abwärts. Und vor dem Hintergrund der Nachfrageschwäche und angesichts der fortgesetzten Eintrübung der Stimmung in den Unternehmen sei eine spürbare Erholung der Industriekonjunktur in der zweiten Jahreshälfte wenig wahrscheinlich, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Deutsche Exporte fallen im September

Die deutschen Exporte schlagen sich aus Expertensicht insgesamt in diesem Jahr besser als erwartet. Für September rechnen von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen mit einem Rückgang um 2,8%. Im August waren die Ausfuhren um 1,3% gegenüber dem Vormonat gestiegen.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigte sich allerdings zurückhaltend für die weitere Entwicklung: Hohe Kosten, beispielsweise für Energie, Steuern oder Personal, aber auch eine überbordende Bürokratie nagten an der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Und sollte ein US-Präsident Trump einen Handelskonflikt zwischen den USA und Europa auslösen, zählte Deutschland zu den großen Verlierern.

Fed senkt Zinsen um 25 Basispunkte

Ökonomen und Börsianer erwarten bei der anstehenden Sitzung der Federal Reserve eine weitere Zinssenkung. An den Terminmärkten ist eine Zinssenkung um 25 Basispunkte zu 95% eingepreist. Aktuell liegt der Leitzins bei 4,75 bis 5,00%. Es ist etwas ungewöhnlich, dass die Entscheidung an einem Donnerstag und nicht wie üblich an einem Mittwoch bekannt gegeben wird. Im Anschluss daran findet eine Pressekonferenz mit dem Fed-Vorsitzenden Jerome Powell statt. Im September hatte die Fed den Leitzins angesichts der Abkühlung sowohl der Inflation als auch des Arbeitsmarkts um 50 Basispunkte stärker als sonst üblich gesenkt. Es war die erste Zinssenkung seit vier Jahren.

Fed-Notenbanker sprachen sich zuletzt für weitere Zinssenkungen aus, waren sich aber uneinig darüber, wie schnell oder wie weit sie diese vornehmen sollten. Der Schwerpunkt scheint jetzt auf der genauen Beobachtung der Daten und der Beibehaltung der Flexibilität in Reaktion auf wirtschaftliche Entwicklungen zu liegen. Da die Inflation unter Kontrolle zu sein scheint, haben die Fed-Notenbanker ihre Aufmerksamkeit auf die andere Seite ihres doppelten Mandats gelenkt - die Sicherung der maximalen Beschäftigung.

Die Arbeitslosigkeit ist im historischen Vergleich nach wie vor niedrig. Das Federal Open Market Committee (FOMC) hat sich zuversichtlich über den Arbeitsmarkt geäußert und sieht eher eine Rückkehr zu einem größeren Gleichgewicht als den Beginn einer anhaltenden Abschwächung. Dennoch haben selbst relativ geringe Anstiege der Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit oft zu Rezessionen geführt.

Bank of England senkt Zinsen um 25 Basispunkte

In Großbritannien werden die Zinssätze wahrscheinlich schneller sinken als bisher erwartet. Die Geldmärkte haben eine Zinssenkung um 25 Basispunkte für die anstehende Sitzung der Bank of England (BoE) vollständig eingepreist und gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Zinssenkung in derselben Größenordnung bei der Dezembersitzung aus. Aktuell liegt der Leitzins bei 5,00%. Die Experten der HSBC rechnen für die anstehende Sitzung mit einer Mehrheit von 6 zu 3 Stimmen im BoE-Rat für eine Senkung um 25 Basispunkte.

Eine Schlüsselfrage ist, ob der Rat nach dem Unterschreiten des Inflationsziels im September und vor dem Hintergrund der schwächeren Vertrauens- und Konjunkturumfragen die Absicht bekundet, das Tempo der Lockerung zu beschleunigen. In den letzten Sitzungen hat der Rat erklärt, dass die Geldpolitik noch lange genug restriktiv bleiben müsse, und davor gewarnt, die Zinssätze zu stark oder zu früh zu senken. Ein Verzicht auf diese beiden Punkte könnte auf einen "aktiveren" Ansatz hindeuten.

DJG/apo/mgo

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