Finanz- und Wirtschaftsspiegel
Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.
Die EZB macht einen Extra-Schritt nach unten
Erscheinungsdatum Website: 11.10.2024 18:15:07
Erscheinungsdatum Publikation: 14.10.2024
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich dem Sog sinkender Inflationsraten und schwächerer Konjunkturindikatoren wohl nicht entziehen. Aussagen von EZB-Ratsmitgliedern aller Coleur und Daten deuten darauf hin, dass die EZB am Donnerstag beschließen wird, ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent zu senken - einen Monat, nachdem sie versucht hatte, genau diesen Eindruck zu vermeiden. Normalerweise versuchen Zentralbanken, solche abrupten Schwenks zu vermeiden. Man muss der EZB aber zugutehalten, dass sie damit nur ihre Zusage umsetzen würde, die Zinsen der Datenlage anzupassen.
Die EZB wird ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag (14.15 Uhr) kommunizieren. Die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde beginnt gegen 14.45 Uhr. Weitere wichtige Ereignisse der Woche sind die Veröffentlichung der ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland, der US-Einzelhandelsumsätze und des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das dritte Quartal.
Die EZB hatte ihre Zinsen im September um 25 Basispunkte gesenkt, aber jegliche Hinweise auf mögliche weitere Zinsschritte unter Verweis auf ihre aktuelle Verfahrensweise vermieden, nach der das Zinsniveau von der Entwicklung von drei Faktoren bestimmt wird: Dem Inflationsausblick, der Stärke der unterliegenden Inflation und der Stärke der Übertragung des geldpolitischen Signals in die Realwirtschaft.
Wie hat sich der Inflationsausblick verändert?
Hat sich der Inflationsausblick verbessert? Die einen sagen so, die anderen so. Manche Volkswirte betonen, dass der Rückgang der Inflationsrate im September auf 1,8 Prozent genau den Erwartungen entsprochen habe. Andere heben hervor, dass die EZB nun bereits "Abwärtsrisiken" für ihre Inflationsprojektionen sehen müsse.
Der unterliegende Inflationsdruck ist einerseits höher als jene 1,8 Prozent - die Kerninflationsrate liegt bei 2,7 Prozent. Andererseits liegen über die Verfassung des Arbeitsmarkts und die Lohnabschlüsse verglichen mit September keine wichtigen neuen Informationen vor. Zur Transmission des geldpolitischen Signals könnte man sagen: Die sich abzeichnende Eintrübung des Wachstumsausblicks dürfte auch eine Folge der Geldpolitik sein und sie geht über das hinaus, was die EZB-Projektionen implizieren.
Man könnte argumentieren, dass die EZB mit einer im September noch nicht absehbaren Zinssenkung im Oktober ihre Zusage einlösen würde, datenabhängig und von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden. Abzuwarten bleibt, ob die EZB an diesem Mantra festhält. Denkbar wäre, dass sie klarmacht, dass ein Oktober-Schritt ein zusätzlicher Schritt ist, auf den dann im Dezember ein "planmäßiger" folgen wird. Denkbar ist auch, dass die EZB nicht mehr zusagt, dass sie ihre Zinsen so lange wie nötig so restriktiv wie nötig halten wird, sondern neutralere Finanzierungsbedingungen anstrebt.
ZEW-Konjunkturerwartungen steigen im Oktober
Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für Deutschland unter Investoren erhobenen Konjunkturerwartungen dürften im Oktober erstmals nach drei Rückgängen in Folge wieder gestiegen sein. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte prognostizieren, dass sich der Index auf 9,0 (September: 3,6) Punkte erhöht hat. Für den Index der Lagebeurteilung wird ein Anstieg auf minus 84,3 (minus 84,5) Punkte erwartet. Der im gleichen Personenkreis erhobene Sentix-Konjunkturindex ist ebenfalls gestiegen. Die Daten werden am Dienstag (11.00 Uhr) veröffentlicht.
Weitere wichtige Veröffentlichungstermine betreffen ebenfalls am Donnerstag die US-Einzelhandelsumsätze (14.30 Uhr) und die Industrieproduktion (15.15 Uhr). Am Freitag (4.00 Uhr) wird Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das dritte Quartal veröffentlicht - die Zahlen dürften im Hinblick auf mögliche staatliche Stützungsmaßnahmen genau beobachtet werden. Außerdem veröffentlicht Standard & Poor's am Freitagabend die aktuellen Bonitätsnoten von Italien, Griechenland und Großbritannien.
DJG/hab/apo/sha