Nachrichten für Außenhandel (NfA)

"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.
Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen - deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern
Deutschland: Handelspolitik nicht länger mit erhobenem Zeigefinger
Erscheinungsdatum Website: 04.01.2024 16:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 05.01.2024
Von Dr. Dirk Jandura, Präsident des BGA
BERLIN (NfA)--?Denk ich an Deutschlands Außenhandel in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht?. Das beschreibt meine und die Stimmung vieler Außenhändler in Deutschland gut. 2023 war für deutsche Ex- und Importeure ein extrem schwieriges Jahr. Wir befinden uns mitten in der Rezession und in einem globalen Wettrennen um Marktzugänge, Lieferketten und Rohstoffe.
Die Unternehmen stehen unter enormem wirtschaftlichem Druck. Ein gestiegenes Außenhandelsvolumen und auch ein zu erwartender Außenhandelsüberschuss dürfen da nicht täuschen. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie Konsequenzen zieht und sich wirtschaftsfreundlich verhält. Das Wachstumschancengesetz muss verabschiedet werden und der Bundeshaushalt 2024 darf nicht mehr als fünfmal so hohe Ausgaben für Soziales, Personal und Zinsen vorsehen wie für Investitionen. Das ist zu viel Konsum und zu wenig Zukunft.
Damit das Geschäftsmodell Deutschlands zukunftsfähig bleibt, wäre es gut, wenn sich die EU wieder auf die wesentliche Funktion der Handelspolitik rückbesinnen würde. Sie muss die Förderung des Austauschs von Waren und Dienstleistungen wieder in das Zentrum ihrer handelspolitischen Aktivitäten rücken. Hohe Priorität hat hier die Diversifizierung der Lieferketten zur Reduzierung von Abhängigkeiten. Dazu müssen neue Freihandelsabkommen verhandelt, abgeschlossen und ratifiziert werden.
Das größte Problem ist, dass Freihandelsabkommen zunehmend mit freihandelsfernen Themen, besonders aus dem Bereich der Nachhaltigkeit, überfrachtet werden. Dies erweist sich in den Verhandlungen als erhebliches Hindernis und erschwert deren Abschluss maßgeblich, wie auch die Verhandlungen mit Indien zeigen. Das ist Handelspolitik mit erhobenem Zeigefinger. Marktöffnung ist dabei zweitrangig.
Die von-der-Leyen-Kommission enttäuscht mich aber auch auf einem anderen Gebiet maßlos. Sie ist nicht die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft, sondern das Gesicht der Bürokratie. Eine ganze Flut an Auflagen droht den deutschen Mittelstand zu ertränken: von Gebäudeeffizienz-Richtlinie, Verpackungsverordnung, Abfall-Richtlinie bis hin zur Reparierbarkeit von Geräten oder der Taxonomie-Verordnung sowie der Entwaldungsrichtlinie, dem CO2-Grenz-ausgleichsmechanismus CBAM und nicht zuletzt der Europäischen Lieferkettenrichtlinie. Das sollte unbedingt wieder auf ein normales Maß zurückgeführt werden.
Brüssel muss nicht nur die Regionalität und den unterschiedlichen Reifegrad der Märkte, sondern vor allem wieder den Mittelstand und seine Leistungsfähigkeit, das Rückgrat der Wirtschaft in Europa, stärker in den Blick nehmen. Die Politik muss sich zurücknehmen und nicht klein- bis kleinstteilig regulieren. Und ich frage mich, wie viel mehr wäre möglich, wenn Ehrgeiz, Disziplin und Ideenreichtum der deutschen und europäischen mittelständischen Unternehmen genutzt werden würden ohne eine so weitreichende Gängelung durch die Politik. Aber ich wäre nicht Unternehmer, würde ich nicht positiv nach vorne schauen. 2024 stehen Europawahlen an und ich verbinde damit die Hoffnung auf neue Köpfe und frische Ideen in Parlament und Kommission.