Ostwirtschaftsreport
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Moskau fürchtet die langfristigen Wirkungen
Erscheinungsdatum Website: 16.11.2022 18:13:09
Erscheinungsdatum Publikation: 17.11.2022
BRÜSSEL (owr)--Die russische Wirtschaft hat zweifellos unter den Sanktionen gelitten, allerdings sind die unmittelbaren Auswirkungen bislang viel geringer als ursprünglich angenommen. Im zweiten Quartal 2022 sank das BIP im Jahresvergleich um 4%, und der Rückgang könnte laut der Bank von Russland (2022) im dritten Quartal 7% erreichen. Öffentlich rechnet die russische Regierung für 2022 mit einer Schrumpfung von etwa 2,9%, während die Zentralbank für das Gesamtjahr eine Schrumpfung von 4% bis 6% erwartet. Demgegenüber lagen die Schätzungen der internationalen Organisationen wie etwa IWF/Weltbank oder EBRD) klar im zweistelligen Bereich. Dennoch lässt sich in den offiziellen Mitteilungen des Kreml zwischen den Zeilen eine wachsende Besorgnis erkennen. Mit den geopolitischen Spannungen bleiben auch die Sanktionen auf lange Sicht bestehen und werden auf Jahre hinaus einen Aufschwung verhindern. Zu diesem Ergebnis kommt der Brüsseler Think Tank Bruegel.
Zwei Hauptfaktoren sind für die Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit in Russland verantwortlich: die von der EU, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern verhängten Exportkontrollen und der Rückzug ausländischer Unternehmen als Reaktion auf den öffentlichen Druck.
Die Exportkontrollen haben die Fähigkeit der russischen Wirtschaft, Komponenten für die Produktion zu erwerben, ernsthaft beeinträchtigt. Einer an der US-Univesität Yale geführten Datenbank zufolge waren Anfang November über 1.000 westliche Unternehmen in verschiedenen Stadien des Abzugs aus Russland begriffen. Zwar ist die russische Wirtschaft weniger stark von Importen abhängig als die meisten anderen großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften und Schwellenländer, doch sind einige Sektoren stark exponiert, insbesondere die Herstellung von Transportmitteln, Chemikalien, Lebensmitteln und IT-Dienstleistungen.
Der Weggang vieler ausländischer Unternehmen hat den Sektoren, in denen sie eine wichtige Rolle spielten, wie der Automobilproduktion und dem Transportwesen schwer geschadet. Unternehmen aus Europa und Nordamerika haben dazu am stärksten beigetragen. Der Exodos der Unternehmen aus Russland hält an. Gleichzeitig haben die russischen Behörden Gebietsfremden den Abzug von Kapital erschwert, und planen auch, Banken keine Erlaubnis zum Verkauf ihrer Beteiligungen zu erteilen, solange Sanktionen gegen russische Banken im Ausland verhängt sind.
Die Veröffentlichung von Hochfrequenzdaten für das zweite und dritte Quartal 2022 ermöglicht eine erste Bewertung der Auswirkungen der Sanktionen und eine Unterscheidung der Auswirkungen auf verschiedene Sektoren. Der Rückzug ausländischer Automobilhersteller und die Verknappung der Vorleistungen hat die Pkw-Produktion extrem hart getroffen, mit einem Rückgang von 95% im Mai 2022 im Vergleich zum Mai 2021. Auch der Luftverkehr ist nach der Kündigung von Flugzeugleasingverträgen und Wartungsverträgen sowie der Sperrung des Luftraums mehrerer Länder für russische Flugzeuge zusammengebrochen. Die Rohölproduktion hat sich nach einem Rückgang im April wieder erholt, und die Industrieproduktion scheint insgesamt relativ stark zu sein, aber die Erdgasproduktion ist stark zurückgegangen, insbesondere im Juli (-19% gegenüber Januar 2022). Insgesamt zeigt die monatliche Produktionsverfolgung von Rosstat seit Januar sechs aufeinander folgende Monate mit einem Rückgang von insgesamt 8,1%, wobei der April mit -4,6% am negativsten war. Sollte die Produktion für den Rest des Jahres 2022 auf dem derzeitigen Niveau bleiben, würde sich der Rückgang für das gesamte Jahr auf nur 2,3% belaufen. Dieser Indikator umfasst jedoch nicht die gesamte Wirtschaftstätigkeit, da vor allem Teile des Dienstleistungssektors nicht berücksichtigt werden. Daher dürfte Tiefe der Rezession unterzeichnet sein.