Märkte der Welt

Der Newsletter "Märkte der Welt" enthält - nach Regionen gegliedert - wöchentliche Zusammenfassungen und Hintergrundanalysen der wichtigsten Nachrichten zur Außenwirtschaft sowie Informationen zu Auslandsaktivitäten deutscher Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Zudem sind weiterführende Kontaktadressen mit Ansprechpartnern angegeben. Die Berichterstattung wird durch das weltweite Netz der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) unterstützt und ist mit Grafiken und Charts angereichert.
Extrem lange Zahlungsziele sind in Italien die Normalität
Erscheinungsdatum Website: 27.01.2012 15:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.02.2012
MAILAND (MdW/gtai)--Mit der Finanzkrise verschlechtert sich nicht nur der Zugang zu Krediten sondern auch die Zahlungsmoral in Italien. Die Zahlungsfristen sind seit je her wesentlich länger als in Deutschland. Vor allem im Geschäft mit öffentlichen Körperschaften müssen extreme Zahlungsfristen von bis zu drei Jahren einkalkuliert werden. Die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen ist schwierig, da eine gerichtliche Klärung Jahre dauert. Die Vereinbarung von Schiedsverfahren bereits bei Vertragsabschluss wird dringend empfohlen.
Prinzipiell ist die Kreditaufnahme für deutsche Unternehmen in Italien unproblematisch, allerdings sind die italienischen Banken, allen voran die Unicredit, zu der auch die HypoVereinsbank gehört, durch die internationale Finanzkrise gezwungen, ihre Bilanzen zu verkürzen und die Kreditvergabe einzuschränken. Die Deutsche Bank unterhält in Italien ein ausgedehntes Filialnetz und bietet Finanzierungen für Unternehmen an. Die italienische Bank Intesa Sanpaolo hat ein deutsches Desk eingerichtet, das insbesondere an Projektfinanzierungen interessiert ist. Das Zinsniveau entspricht dem in Deutschland, allerdings werden von italienischen Banken oft größere Sicherheiten verlangt als von deutschen. Auch die Gebühren der italienischen Banken übertreffen häufig das in Deutschland übliche Niveau.
Lieferfinanzierungen von Banken zur Überbrückung der extremen Zahlungsziele in Italien, sind nach Auskunft betroffener Unternehmen nur noch unter sehr schwierigen Bedingungen zu erhalten, insbesondere, wenn es sich beim Kunden um eine Institution der öffentlichen Hand handelt. Die Risiken bei Zahlungsausfällen sind in Italien erheblich, zum einen, weil Gesetz und Rechtsprechung grundsätzlich schuldnerfreundlich sind, zum anderen weil das Einlegen von Rechtsmitteln aufgrund einer Prozessdauer von durchschnittlich drei Jahren bis zu einer Entscheidung in der ersten Instanz sinnlos erscheint.
Die Einführung des Europäischen Mahnbescheids hat die Situation zwar ein wenig verbessert, aber in der Regel bleibt der Gläubiger auch bei Erwirken eines Zahlungsbefehls in Italien auf den hohen Vollstreckungskosten sitzen. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts bereits bei Vertragsabschluss ist zu empfehlen. Die Deutsch-Italienische Handelskammer hat eine Prozessordnung für Schieds- und Mediationsverfahren ausgearbeitet und kann mit dem Prozedere beauftragt werden.
Italienische Unternehmen gewähren nach einer Umfrage von Atradius 59% ihrer Kunden Zahlungsziele und bestehen bei 41% auf Vorkasse. Der Unterschied zu den Usancen in Deutschland ist beträchtlich, hier wird bei nur 27% der Kunden um Vorkasse gebeten, 73% bekommen Zahlungsziele eingeräumt. Der Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen und die Rücksicht auf die Liquidität des Kunden sind die häufigsten Motive für die Einräumung eines Zahlungsziels. 60% der italienischen Unternehmen gewähren Skonti bei frühzeitiger Zahlung, 23% der Kunden nehmen diese Skonti in Anspruch. Der europäische Durchschnitt von Unternehmen, die Skonti einräumen liegt mit 37% erheblich niedriger. In Italien sind es vor allem die kapitalschwachen kleinen und mittleren Unternehmen, die mit Skonti arbeiten.
Das durchschnittliche Zahlungsziel im Geschäft mit privaten Unternehmen in Italien liegt nach der Erhebung von Atradius bei 55 Tagen, 16% der befragten Unternehmen geben an, Zahlungsziele zwischen 61 und 90 Tagen, weitere 11% solche von über 90 Tagen zu gewähren. Im europäischen Vergleich sind längere Zahlungsziele nur in Spanien und Griechenland üblich, in Deutschland liegt der Durchschnitt bei 22 Tagen. Auch bei der durchschnittlichen Forderungslaufzeit (Days Sales Outstanding - DSO) hält Italien mit 63 Tagen gemeinsam mit Spanien und Griechenland die Spitzenposition unter den europäischen Ländern. Im Verlauf des 1. Halbjahrs 2011 ist die durchschnittliche Forderungslaufzeit um 17 Tage gestiegen.
Im Durchschnitt waren im 1. Halbjahr 2011 im Inlandsgeschäft 36%, im Exportgeschäft 34% der ausstehenden Zahlungen überfällig, bei 10% wurden Rechtsmittel eingelegt. Der Durchschnitt der uneinbringbaren Forderungen liegt in Italien bei 5% gegenüber 3% in Europa. Als Gründe für Zahlungsrückstände nennen 71% der italienischen Unternehmen Liquiditätsengpässe.
Nach Angaben von deutschen Unternehmen, die in Italien Niederlassungen betreiben, haben sich die Zahlungsziele in Italien in den letzten drei Jahren generell verlängert, oft werden von Kunden Ziele von 90 bis 120 Tagen verlangt. Viele Kunden haben ihre Liquiditätsplanung an diesen Fristen ausgerichtet und können kurzfristig gar nicht auf ein kürzeres Zahlungsziel umstellen. Die in der gegenwärtigen Finanzkrise immer restriktivere Kreditvergabe der Banken verschärft das Problem, die Liquidität der italienischen Unternehmen, insbesondere der Kleinunternehmen ist signifikant zurückgegangen.
Beobachtet wird seit 2011 auch eine deutliche Zunahme von aktivem Kreditmanagement bei den Lieferunternehmen, insbesondere bei Kleinunternehmen im Industrie- oder Dienstleistungssektor. Die Maßnahmen beziehen sich auf die Automatisierung des Mahnwesens, die Überwachung des Käuferrisikos und die Überprüfung der Bonität eines Kunden vor Abschluss des Geschäfts. Immer öfter wird auch eine Sicherung des Lieferkredits verlangt.
Angesichts der in Italien generell nicht sehr ausgeprägten Zahlungsmoral ist dringend zu empfehlen, sich über den potenziellen Geschäftspartner eingehend zu informieren. Ein ersten Eindruck kann durch den Einblick in das Handelsregister gewonnen werden. Der Zugang zum Handelsregister ist grundsätzlich für jedermann möglich, aber kostenpflichtig (es muss ein Kontingent von Anfragen gekauft werden, auf das jeweils bei Bedarf zugegriffen werden kann). Über Internet bietet Infoimprese.it den Zugriff auf einige Daten des Handelsregisters an, die Daten sind allerdings oft nicht aktuell und deshalb nur begrenzt vertrauenswürdig. Die Deutsch-Italienische Handelskammer kann gegen Gebühr sowohl Auskünfte über die Eintragungen im Handelsregister, als auch umfassende Bonitätsauskünfte einholen.
Die großen internationalen Auskunfteien, wie Creditreform, Euler Hermes, D&B oder Coface sind in Italien vertreten. Daneben existieren eine Reihe von weniger bekannten aber durchaus vertrauenswürdigen Auskunftsunternehmen, wie Honyvem, Credem, und Lince. Bankauskünfte reichen nach Meinung aus der Branche nicht zur Bonitätsbeurteilung aus, sie sind nicht unbedingt zuverlässig und zudem meist kostenpflichtig.
Geschäftsbanken und spezielle Finanzierungsinstitute bieten verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten für Auslandsgeschäfte an. Die wichtigsten deutschen Kreditgeber im Exportgeschäft sind die Ausfuhrkredit-Gesellschaft (AKA) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Siegfried Breuer (gtai)