Russland Aktuell
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Russland: Ölindustrie auf schmalem Grat
Erscheinungsdatum Website: 20.05.2021 11:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.05.2021
"Peak oil" liegt in der Vergangenheit / Von Martin Klingsporn
MOSKAU (NfA)--Russlands Ölreserven reichen noch für 59 Jahre Produktion auf dem aktuellen Niveau und die Gasreserven sogar für 103 Jahre, erklärte Russlands Rohstoffminister Alexander Koslow Berichten russischer Medien zufolge im Rahmen der Vorstellung neuer Prognosen und Pläne für die Energiewirtschaft. Eben diese Pläne bestätigen aber auch eine weniger glamouröse Tatsache: Russland dürfte den ?peak oil?, also die Spitze der Förderung bereits hinter sich haben: Auch auf lange Sicht wird Russland demnach nicht mehr das Produktionsniveau vor der Corona-Krise erreichen.
Die Energiewende der westlichen Staaten sorgt für eine ermäßigte Nachfrage nach Öl und Gas. Gleichzeitig wird der Aufwand für die Förderung immer größer, der Break-Even-Preis, an dem die Förderung kostendeckend wird, steigt laufend. Nur rund ein Drittel der russischen Reserven sind mit der aktuell verfügbaren Technologie noch wirtschaftlich sinnvoll zu fördern, schätzt das Rohstoffministerium. Die Situation dürfte noch schwieriger werden, wenn die angestrebte EU-weit erhobene CO2-Abgabe realisiert wird. Den vorliegenden Schätzungen zufolge bewegen sich die zusätzlichen Belastungen für Russland im oberen einstelligen Milliardenbereich pro Jahr. Russland ist nach China der zweitgrößte Exporteur CO2-intensiver Güter mit seinem Schwerpunkt bei Öl und Gas sowie Metallen.
Die kommenden Schwierigkeiten werden an den Plänen für die arktischen Öl- und Gasvorkommen deutlich: Der staatliche Ölriese Rosneft soll die zentrale Rolle für das 110 Mrd Dollar schwere Programm zur Erschließung der Reserven unterm Permafrostboden spielen mit dem Ziel, 100 Mio t Öl jährlich zu erzeugen. 130.000 neue Jobs sollen entstehen, zu deren Besetzung 15 neue Städte aus dem aufweichenden Boden gestampft werden sollen, zusammen mit mindestens zwei neuen Flughäfen.
Rosneft hat aber schon klar gestellt: Ohne gewaltige Steuervorteile in der Größenordnung von mehreren Milliarden Dollar rechnet sich die Investition nicht. Zumal sich mittlerweile auch die Sanktionen bemerkbar machen: Russlands Ölindustrie wurde damit technologisch von der westlichen Konkurrenz abgehängt. Das tut weh in einer Wirtschaft, deren BIP zu 40% von eben dieser Öl- und Gasförderung abhängig ist. Und auch der Fiskus geht schwierigen Zeiten entgegen, seine Einnahmen stützen sich zu 25% auf das Geschäft mit Öl und Gas.